Wir machten eine gründliche und furchtlose Inventur in unserem Inneren.
Nüchtern werden ist ein Prozess, ein Vorgang, eine Entwicklung. Das schafft niemand auf Anhieb. Dazu ist eine Wegstrecke zurückzulegen und zwar zu Fuß. Da wird man nicht gefahren. Wir müssen uns schon selbst auf den Weg machen. Startpunkt ist der Augenblick, in dem Wunsch und Notwendigkeit, mit dem Trinken aufzuhören, in uns so stark sind, dass wir mit Hilfe der Höheren Macht mit Aussicht auf Erfolg den Kampf gegen den Alkohol aufnehmen können. Wir gehen nicht als Sololäufer, sondern in der AA-Gemeinschaft an diesen Start. Und weil dieses Team Erfahrung hat, gibt es uns Empfehlungen an die Hand, mit welchen Schritten wir das Ziel erreichen können.
Wenn man sich verirrt hat...
Wir sind nicht zu einem Langstreckenlauf gestartet, obwohl wir immer unterwegs sein werden. Vor uns liegt kein Wettrennen, aber auch kein Spaziergang. Wir haben uns auf einen Weg gemacht, der aufwärts führt. Uns ist kein Tempo vorgeschrieben, -im Gegenteil: Leute, die diesen Weg vor uns gegangen sind, empfehlen uns, nicht hastig zu sein und stattdessen lieber kleine Schritte zu machen.
Im vierten dieser empfohlenen Schritte rät man uns gar zu einer Pause, zum Verweilen, zum Stillhalten. An einem ungestörten Platz sollen wir rasten und nachdenken, wobei das eigene Ich Gegenstand dieses Nachdenkens ist.
Pfadfinder lernen fürs Geländespiel und Rekruten für ernstere Situationen, wie sie sich verhalten sollen, wenn sie in unwirtlichem Gelände die Orientierung verloren haben. Zugegeben, wenn wir unser bisheriges Leben mit einer Wanderung vergleichen, dann haben wir uns auch ganz schön verirrt. Eigentlich sind wir auf dem Weg bisher noch nicht weit vorangekommen.
Pfadfinder
und Rekruten lernen in der Ausbildung, dass es sinnlos ist, auf
verlorenem Weg ziellos weiterzulaufen. In der
Verirrung bringt einem Panik nicht weiter. Nur wer dumm ist,
rennt in einer solchen Situation
kopflos hin und her. Nur wer noch nicht gemerkt hat, dass er
sich verirrt hat, geht
auf dem
falschen Weg weiter. Nur wer den Ernst seiner Lage leichtfertig
unterschätzt, wird auf gut Glück irgendeinen Weg
ausprobieren.
Deshalb hilft in der Verirrung nur eines: zuerst einmal stehenbleiben und nachdenken. Dabei wird man sich den bisher zurückgelegten Weg in Erinnerung rufen und sich das Ziel vor Augen stellen. Mit dem ihm greifbaren Wissen und Hilfsmitteln versucht der Pfadfinder, seinen Standort zu bestimmen. Erst wird er versuchen, die Himmelsrichtungen herauszufinden. Wenn er in etwa weiß, wo er sich befindet, kann er auf sein Ziel hin den Weg fortsetzen. Nachdenken hilft also in der Situation der Verirrung und der Verwirrung. Haben wir uns -gegängelt vom Alkohol-nicht auch in die Irre leiten lassen? Ist es uns' nicht längst der Kontrolle entglitten, wohin die Reise geht? Jetzt geht es uns wie dem verirrten Pfadfinder. Wir sitzen irgendwo und müssen erst einmal herausfinden, wo unser Standort ist. Um zu wissen, wo wir stehen, brauchen wir Klarheit über den bisher zurückgelegten, verworrenen Weg.
Wann mache ich Inventur?
In der beschriebenen Situation sind wir allein. Das ist nicht schlimm und ist auch kein Grund, sich zu ängstigen. Wir haben unseren Verstand und die Hinweise unserer Freunde, die vor uns aufgebrochen und auch an die Stelle gekommen waren, an der sie nicht mehr weiter wussten. Sie erzählen uns davon, dass auch sie ihre Inventur irgendwann einmal allein gemacht haben. Sich selbst kennenlernen, ist die intimste aller Bekanntschaften. Da möchte man zunächst niemanden um sich haben.
Bevor auf
die Fragen, was wir bei der Inventur machen, wie und wozu wir
das anstellen, eine Antwort versucht wird, taucht
beim Meeting möglicherweise erst einmal die Frage nach dem Wann
auf. Und wie bei vielen solchen
innerhalb unserer Gemeinschaft gestellten Fragen gibt es viele
Antworten, aber keine allgemein gültige
Regel. Es gibt viele Antworten, weil bei uns jeder seine
eigenen Erfahrungen hat und weil jeder seine
eigene Meinung haben darf. Wenn man unter Inventur
machen Selbsterkenntnis
versteht, dann ist dies nach einem alten Sprichwort der erste
Schritt zur Besserung.
Wenn also
Inventur so viel heißt wie die eigene Person und deren Standort
erkennen, wenn sie die Rückgewinnung von
Selbstwertgefühl einschließt, dann steht der Vierte Schritt
ganz sicher am Anfang des Prozesses unseres
Nüchtern Werdens. Dies einfach deshalb, weil derjenige, der
immer noch mit einem völlig falschen
Bild von sich selbst herumläuft, erfahrungsgemäß nicht lange
trocken bleibt, geschweige denn nüchtern
wird.
Wenn aber der Begriff der Inventur weitergefasst wird in Richtung auf Ursachenforschung, dann sollte man mit diesem Teil der Inventur zumindest langsam vorgehen. Abgesehen von manch berechtigten Einwänden gegen zu viel Ursachenforschung, worüber noch zu sprechen sein wird, sei hier schon gesagt, dass der Anfänger mit dieser Problematik erfahrungsgemäß überfordert und damit in seiner Nüchternheit gefährdet ist.
Beschränken wir aber Inventur auf das, was sie eigentlich ist, auf das Sortieren von Positivem und Negativem, auf das Zusammentragen von Erinnerungsfetzen mit dem Ziel der Selbsterkenntnis, dann gehört sie an den Anfang unseres neu begonnenen Lebens. Sie ist hier geradezu notwendig, weil sie im wörtlichen Sinn unsere Not wendet. Aber zurück zur ganz konkret gestellten Frage nach dem Wann der Inventur. Nun, Inventur macht man nicht zwischen Suppe und Hauptgericht beim Mittagessen, nicht zwischen Waschen und Abtrocknen beim Geschirrspülen.
Da braucht
man schon ein bisschen Zeit und Ruhe. Viele berichten, dass sie
Ruhe zur Inventur draußen in der weiten Natur
gefunden haben; aber es kann genauso gut der Garten, der
Hobbyraum oder die Wohnung sein, wenn man
darin ungestört ist. AA-Inventuren sind in den Bergen, am
Strand, beim Waldspaziergang, in
D-Zügen, Kathedralen, bei langen Autofahrten oder Fußmärschen,
in Krankenhäusern und
Gefängnissen möglich. AA-Inventuren können fast überall gemacht
oder zumindest in Gang
gesetzt werden. Voraussetzung ist in allen Situationen
sicherlich immer nur die
Bereitschaft
und die Möglichkeit zu innerer Ruhe.
Wo mache ich Inventur?
Ein Teil der Möglichkeiten, wo Inventur denkbar sein könnte, ist im vorausgegangen Satz schon angedeutet. Weil aber die Inventur so entscheidend mit dem Beginn des Nüchtern Werdens zusammenhängt, drängt sich hier die Diskussion in dieses Kapitel, ob man nur durch AA oder durch eine Kur nüchtern werden kann. Es würde den Rahmen dieser Denkanstöße zum Vierten Schritt sprengen, jetzt Für und Wider in aller Breite darzulegen. Außerdem liegt diese Frage für die meisten von uns ja bereits im Gestern.
Jedenfalls ist die Zeit, in der wir gezwungenermaßen oder freiwillig vorübergehend aus dem Verkehr gezogen sind, recht geeignet, Inventur zu machen. Es ist geradezu der Sinn solcher Aufenthalte, unsRuhe zum Nachdenken zu geben. Die in Krankenhäusern und Entzugskliniken angewandten Therapien zielen nach der körperlichen Wiederherstellung in diese Richtung. Eine solche Therapie durch Ärzte, Psychiater oder die als Gruppe fungierenden Mitpatienten ist umso erfolgversprechender, je mehr sie uns zum Nachdenken und damit zur Klarheit über uns selbst verhilft.
Aber auch
die beste und teuerste Entziehungskur befreit uns nicht von der
Notwendigkeit, hier selbst tätig zu werden. Kein
Professor, auch wenn er fünf Doktortitel hat, kann für uns
Inventur machen. Wir müssen schon selbst
herausfinden, wo wir stehen, was mit uns los ist, was wir aus
dem bis dahin ziemlich verkorksten
Leben herüberretten können, wie es überhaupt mit uns
weitergehen soll. Ein solches
In-sich-hinein-horchen braucht deshalb nicht unbedingt in einer
Kur oder in einer Klinik stattzufinden. Bei AA
sind die Beispiele Legion, bei denen die Standortbestimmung
("Ich bin
Alkoholiker") außerhalb
solcher Einrichtungen vollzogen worden ist.
Warum mache ich Inventur?
Das richtige Bild von sich selbst zu haben, ein Bild ohne Schnörkelrahmen und Verzierungen, ein Bild weder im Format einer Briefmarke noch in der Größe eines Wandgemäldes, dieses Gewinnen einer Klarsicht über die eigene Person ist das Ziel jeder gründlichen Inventur. Die generelle Antwort auf das Warum all unseres Bemühens steht in der AA-Präambel, wenn vom Wunsch, mit dem Trinken aufzuhören, die Rede ist. Dort heißt es, dass es Hauptzweck ist, nüchtern zu bleiben.
Diesem Hauptzweck dient es, wenn wir uns darum bemühen, ein klares Bild von uns selbst zu gewinnen. Bisher hatten wir das nämlich nicht, weil wir die Welt um uns herum und die Welt in unserem Innern immer nur durch die Zerrbrille gesehen haben. Da waren wir wechselweise die Kings in der grölenden Biertischrunde oder das heulende, katzenjammernde Elend nachts allein in unserem Bett.
Aus diesen unrealistischen Extrempositionen heraus in die Mitte, ins gesicherte Senkrecht, zu finden, ist das Ziel unserer Inventur. Solange nämlich, wie wir uns an vermeintlicher Größe, an der Unwiderstehlichkeit unseres eingebildeten Charmes, an der umwerfenden Komik unseres labernden Humors, an der Unbegrenztheit unserer beruflichen Fähigkeiten hochgaukeln, solange ist der Griff nach dem, was uns diesen Wahn erst in den Kopf gesetzt hat, ganz nah. Erst wenn dieser nebulöse blaue Dunst aus unserem Hirn heraus gepustet ist, können wir klar denken. Wir brauchen zu unserer Nüchternheit das nüchterne, klare, gefühlsfreie, mitleidlose Wissen um unsere eigene Person.
Wir sind bei der im Vierten Schritt empfohlenen Inventur auf der Suche nach der eigenen Identität. Unsere "Identitycard" -unsere Kennkarte -enthält ein Foto; vielleicht ist dieses Personalausweis-Foto die richtige Größe von dem Bild, das wir von uns haben sollten. Jedenfalls ist dieses Foto echt, ungeschminkt und unretouchiert. Es unterscheidet sich von dem Scheinbild, das wir wie schlechte Schauspieler früher uns selbst und anderen vorgespielt haben.
Was mache ich bei meiner Inventur?
Auch ohne
Kaufmann zu sein, weiß man ungefähr, was die Geschäftsleute am
Jahresende machen, wenn sie für einen Tag
ein Schild an die Ladentür hängen "wegen Inventur geschlossen".
Sie brauchen Ruhe, wenn sie hinter
verschlossener Tür an die Bestandsaufnahme gehen. Der Kaufmann
wird im Vergleich zur
vorausgegangenen Inventur diejenigen Artikel herausfinden, die
in seinem Geschäft unbrauchbar sind. Er
wird sich von Ladenhütern trennen, weil sie ihn belasten und
weil sie sein Vorankommen blockieren.
Er wird Haltbarkeitsdaten überprüfen, auf Verderbliches
besonders achten
und
Verdorbenes aussortieren. Er wird aber auch herausfinden, wo
bei ihm die Stärken liegen und
diese Seiten
seines Handelns intensiver zu entwickeln bemüht sein.
Das alles trifft auch auf unsere Situation zu. Wir werden auch unsere Geschäftigkeit für kurze Zeit unterbrechen und mit dem Sortieren beginnen. Wir werden unser Leben Revue passieren lassen und herausfinden, wo unsere Schwächen und wo unsere Stärken liegen. Das Ergebnis dieser Untersuchung sieht wahrscheinlich bei jedem von uns anders aus. Wir alle werden merken, dass die Habenseite kein weißes Blatt zu bleiben braucht. Es ist nicht alles negativ an uns, jeder von uns kann auch einiges. Wir alle aber haben eins gemeinsam: Wir können ganz offensichtlich alle keinen Alkohol trinken. Denn wir werden herausfinden, dass an fast allen Schwierigkeiten und Widrigkeiten in unserem bisherigen Leben der Alkohol irgendwie beteiligt war.
Wenn uns die
Inventur gottlob nicht nur Negatives offenbart, wenn sie uns im
Gegenteil wieder Selbstwertgefühl zu
geben imstande ist, dann macht sie uns auf der anderen Seite
aber auch mit harter Konsequenz deutlich,
dass wir mit Alkohol ganz offensichtlich nicht zurechtkommen.
So gesehen,
bestätigt
uns die Inventur des Vierten Schrittes mit einer Fülle von
Quittungen und Belegen das, was wir im Ersten Schritt
schon zugegeben haben: unsere Machtlosigkeit gegenüber dem
Alkohol.
Wie mache ich Inventur?
Beim gründlichen Nachdenken über das bisherige Leben fragt man sich zwangsläufig auch, wie das alles gekommen ist, wie es einmal angefangen hat mit dem Trinken. Wir sind also bei dem Punkt, den man Ursachenforschung nennt. Wir erinnern uns an unser allererstes Glas. an den ersten Rausch. Wir wissen vielleicht auch noch die Beweggründe, aus denen heraus wir damals getrunken haben. Später und vor allem in der Schlussphase haben wir keine Anlässe mehr gebraucht, da haben wir uns ohnehin nur noch mit fadenscheinigen Ausreden selbst belogen.
Vielleicht finden wir heraus, dass wir als sogenannte Erleichterungstrinker angefangen haben. Wir hatten gemerkt, dass mit Alkohol manches zunächst leichter zu bewältigen war. Aus dieser trügerischen Erfahrung haben wir dann immer häufiger zum Glas gegriffen, bis Ursache und Wirkung in unserem Unterbewusstsein längst verwischt waren. -Ein anderer mag herausfinden, dass bei ihm eigentlich Faulheit das Anfangsmotiv war. Das Glücksgefühl, das andere erreichen, indem sie etwas zustande bringen, ermogelte er sich ohne Leistung durch die Droge Alkohol. Bei unseren Inventuren, auch wenn wir später über das Ergebnis im Meeting sprechen, kommen sicher noch andere Anfangsmotivationen zutage. Darüber Bescheid zu wissen, kann im Prinzip nichts schaden, wenn man aus solcher Erkenntnis keine falschen Schlüsse zieht.
Erstens
einmal wird man nie den Gesamtkomplex der Ursachen
herausfinden, die zum Trinken geführt haben, höchstens
Teilaspekte eines insgesamt sehr schwierigen Phänomens. Wir
wissen also nichts Genaues über die
Ursachen, wir ahnen höchstens, dass der Beginn unseres Trinkens
möglicherweise mit diesem oder jenem
Umstand in Zusammenhang stehen könnte. Zum zweiten wäre
es verhängnisvoll, aus
solchem Ahnen falsche Konsequenzen abzuleiten, etwa in der
Richtung: Jetzt weiß ich, woran es gelegen
hat, ich ändere das, beseitige nachträglich die Ursache (was
ohnehin unmöglich ist), und kann dann
normal trinken. Dem steht die wissenschaftlich erhärtete
Erkenntnis entgegen, dass der einmal
erreichte Status des Alkoholikers ganz unabhängig von allen
Ursachen und deren Erkenntnis unveränderbar
ist. Da kann man das Rad der Persönlichkeitsentwicklung nicht
einfach zurückdrehen. Da bleibt
nur die eine Konsequenz, den einmal erkannten Status: "Ich bin
Alkoholiker"
anzunehmen.
Das nämlich, was diese Krankheit zur unheilbaren Krankheit
macht, der Kontrollverlust, bleibt selbst dann, wenn
man glaubt, die Ursachen, aus denen heraus das Trinken
irgendwann einmal angefangen hat, erkannt
zu haben.
Aber wie
machen wir nun unsere Inventur? Ganz sicherlich nicht, indem
wir uns hinsetzen und die getrunkenen Gläser
zusammenzählen und ausrechnen, wie viel Geld wir dafür
ausgegeben haben. Es hat auch nichts mit der
im Vierten Schritt empfohlenen Inventur zu tun, wenn wir völlig
unnötig diesem Geld nachweinen. Das
alles war gestern und zählt für unser neues Leben nicht mehr.
Dieses Geld ist nur dann nicht völlig
unnütz ausgegeben, wenn wir es Einschmelzen und ummünzen in
Konsequenzen für unser neues Leben.
Inventurmachen ist auch mehr als das Zusammentragen von
Episödchen, um unsere Lebensgeschichte
im öffentlichen Meeting erzählbarer zu machen. Wir müssen da
schon ein bisschen tiefer
nachschauen in unserem Innern und die Trümmer sortieren.
Furchtlos sollten wir das machen, heißt es im
Vierten Schritt. Das heißt doch wohl, dass wir die zum Schutz
der feinen Hände angelegten
Gummihandschuhe abstreifen und uns nicht scheuen, vor uns
selbst alles freizulegen, was
passiert ist
und sich persönlichkeitsverändernd in uns festgefressen
hat.
Wer aber setzt die Maßstäbe, nach denen wir sortieren? Wer gibt uns sozusagen den Beichtspiegel in die Hand, an dem wir ablesen können, was richtig und was falsch war? Die in der AA-Gemeinschaft immer wieder auftauchende und letztlich zu bejahende Frage drängt sich auf, ob es uns um mehr geht als um die Lösung des Trinkproblems. Damit sind wir wieder an einem Punkt, bei dem manche AAFreunde sagt uns, was gut und schlechtist, wo Erlaubtes aufhört und Verbotenes anfängt? Gibt es den Begriff der Sünde bei AA und damit im Vierten Schritt?
Sünde ist
ein Begriff aus der Religion oder aus Religionen, mit denen AA
laut Präambel nicht verbunden ist. Keine dieser
Gemeinschaften kann hier für uns alle gleichermaßen geltende
Maßstäbe und Normen setzen. Wer sich einem
solchen Bekenntnis verbunden fühlt, kann mit den dort
vorgegebenen Normen an seine Inventur
herangehen. Wir alle aber können die Maßstäbe des Gewissens zur
Grundlage der
Inventur
machen.
Ein guter
Maßstab zur Beurteilung des eigenen Verhaltens Ist die
Erwartung, die man vom Handeln des anderen sich selbst
gegenüber hegt. Wenn wir so handeln, wie wir gern von anderen
behandelt werden, liegen wir schon
ziemlich richtig. Dafür ein paar Beispiele: Wer ist schon gern
belogen,
betrogen,
von anderen ausgenützt? In der Partnerschaft der Intimbeziehung
von anderen zum Befriedigungsobjekt
degradiert? Wer ist schon gern von oben herab behandelt,
gehänselt oder ins Geschwätz gezogen? Uns
selbst wird unwohl, wenn andere übertrieben aufs Blech hauen,
sich aufspielen, wenn sie uns
ins Wort fallen und nur ihre Meinung gelten lassen. Niemand
steht gern herum und wartet, wenn
er verabredet ist. Wir möchten eigentlich, dass die anderen uns
gegenüber pünktlich, korrekt,
ehrlich, höflich und tolerant sind.
Wenn wir solche Erwartungshaltungen zur Grundlage eigenen Handelns machen, arbeiten wir an uns selbst. Wenn wir solche Erwartungshaltungen, die wir uns im neuen Leben sehr schnell angewöhnen, als Maßstäbe nehmen, um unsere eigenen Vergangenheit auf Soll-und Habenseiten zu sortieren, dann machen wir Inventur.
Inventur aber kann nur den Sinn haben, daraus Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen. Wenn wir nun die Hauptfelder unserer Fehlhaltungen kennen, werden wir das Unkraut nach und nach jäten und Feld für Feld frisch einsäen. Kontrollmöglichkeit darüber, wie wir hier Stück für Stück vorankommen, bietet uns ein anderer AA-Schritt, der zehnte, in dem auch von der Inventur -von der täglichen - die Rede ist.
Herausgegeben und ©:
Anonyme Alkoholiker deutscher Sprache
UNSER WEG,
mit den 12 Schritten und mit den 12 Traditionen der Anonymen
Alkoholiker,
ist ein
Handbuch für das Meeting, für zu Hause und ein Wegweiser zu
neuer Lebensausrichtung und Persönlichkeitsänderung.